Die Predigt Frank Webers fußt auf dem zuvor abgespielten Hörstück (hier gleich zu hören) und auf dem Text der Lesung aus dem Römerbrief des Paulus, Kapitel 10,9–17.
Hörstück:
Predigt: »minderheitlich leben – klein ist wunderbar!«
Liebe Gemeinde hier in Altenau und in den Gemeinden in Wunstorf und Hannover,
in einer so großen Runde Gottesdienst miteinander feiern zu dürfen und zu können, das ist nicht alltäglich. Es ist ein Feiertag, auch wenn der Kirchenkalender nur einfach vom 17. Sonntag nach Trinitatis spricht. Es fühlt sich schon anders an, wenn so ein Saal voller Christenmenschen ist, es hinter und vor mir singt, und wir fast zusammenrücken müssen, damit alle reinpassen.
Viele erinnern sich dann gern zurück an die Zeiten, in denen die Kirchen oft gut gefüllt, ja, voll waren. – Und das ist bei uns immer seltener, ja kaum mal der Fall. So eine Sitzung in einem (zugegeben: frei erfundenen) Vorstand, wie wir sie im Hörstück gehört haben, wird es ähnlich an vielen Orten geben. Die Frage ist ja stets die gleiche: Was können und was müssen wir tun, damit wir wieder viele werden. – Was machen wir bloß falsch? Welche Stellschrauben haben wir, an denen wir noch drehen können?
Die Idee ist, dass es ja der Job und Daseinsgrund von einzelnen und von Gemeinden und Kirchen ist, das Evangelium auszubreiten. Das würden wir ja gern. – Allein: Das, was man früher so machte, das interessiert immer weniger Menschen. Entweder machen wir etwas falsch: Das kann sein! Und wenn es so ist, dann gilt es, dies zu ändern.
Wenn wir aber redlich betrachtet nicht zu dem Ergebnis kommen, dass es an uns liegt, dass das Evangelium, echt, liebevoll und achtsam zu den Menschen gebracht, leider immer weniger fruchtet… – Ja, was dann?
Sollen wir – vielleicht mit Rückgriff auf unsere Lektüre der Plagen in Ägypten und den verstockten Pharao – von Verstockung reden? Und fertig. – Dann wäre es zumindest nicht mehr unser Problem.
In dem Hörstück gab es die Vertreterin einer evangelistischen Großaktion. Einfach etwas hermachen, moderne Form, gute und zeitgenössische Musik. Das darf nicht so kümmerlich und unmodern sein wie früher. – Das Evangelium aber wäre zwar flott verpackt und gepredigt, aber letztlich wie gehabt. – Einer möchte raus aus aus den Kirchen, hin zu den Menschen: Stichwort Wanderzirkus. Klar, alles mobil, auch gut gemacht. Die Kern-Innovation aber ist: Nicht in die Kirche einzuladen, wohin sich niemand traut, sondern in ein Zelt auf einem Schützenplatz. – Auch nicht so neu, aber ganz schön anders.
Die dritte Position war: Es kommt auf uns alle an, darauf, dass wir alle die Gelegenheiten nutzen, anderen etwas weiterzusagen. Zur Zeit oder zur Unzeit: Hauptsache ist, dass wir alle als Multiplikatoren dienen fürs Evangelium. – Schließlich hatten wir den in unserem fiktiven Vorstand, der beobachtet hatte, was wir schon alles versucht haben: Alles hat nicht gefruchtet. Seine These: Die Menschen sind satt. Die besten Speisen reizen sie nicht, einfach weil ihnen nichts fehlt.
Gefühlt ist unser Ziel zwar das Reich Gottes. Wir wünschen uns dies auf Erden, und zwar, ganz wörtlich, als Basileia tou theou, als Königreich Gottes. In diesem Reich möchten wir Ämter bekleiden. – Liebe Gemeinde: Das klingt nach einer Christianisierung der Gesellschaft. So etwas kam ja schon einmal, als Kaiser Konstantin Christ geworden war: Die Christen wurden nicht allein geduldet, sondern immer mehr wurde die Taufe zur Voraussetzung für Ämter und Ansehen.
Wenn wir das anstreben, und das tun heute viele, sind wir ähnlich gestrickt wie die, die einen Kalifat-Staat erstreben. Klar, da geht es um islamische Ausrichtung von Staat und Gesellschaft. – Beim christlichen Abendland ging es um formalisiertes Christentum.
Ich denke nicht, dass alle die, die die Wahl hatten, getauft oder geköpft zu werden, Nachfolge Christi im engere Sinne wollten oder lebten.
Eine Besonderheit des Evangeliums ist für mich, dass der Geist Gottes es erschließt. Sicher kommt der Glaube aus dem Hören. Und das Hören setzt das Weitersagen voraus. Es geht aber nicht um christliche Publizistik, um Bibel-TV und den Evangeliumsrundfunk als Strukturen. Es geht darum, dass diese Botschaft, dass wir einen Neuanfang mit Gott brauchen, weil wir eben nicht selbst perfekt und gerecht sind, uns erreicht und andere – und nicht nur äußerlich: Dass die Botschaft ins Herz fällt und nicht bloß in den Briefkasten. Dass wir uns von Gott in seinem Sohn Jesus gerecht machen lassen, denn der trug ja die Schuld der Welt, also auch meine. – Das kann ich sagen, und das sage ich gern. Aber: Dass es jemanden erreicht und ihr oder ihm plausibel wird, das setzt mehr als Predigt und Publizistik voraus. Es braucht nach wie vor Gottes Geist, der an den Menschen wirkt.
Das ist schwieriger, weil wir kaum Ruhe habe. Kaum Augenblicke, an denen wir offen wären, den Geist Gottes wahrzunehmen. – Das ist ein Teil der Verstockung, die manche behaupten. Ich behaupte: Das ist niemands böser Wille, weder der der Menschen, noch gar der eines sadistischen Gottes, denn es geht nicht darum, dass es irgendjemanden freute, wenn jemand von Gott getrennt ist.
Vielmehr passiert es so: Wir haben starke Triebe: Hunger und Durst treiben uns an, auch der Wunsch nach Partnerschaft, vielleicht Sexualität und Familie ist ein starker Trieb und Wunsch. – Der Wunsch nach Gott ist sicher angelegt in uns, aber: bedauerlicherweise merken wir bei Gottesmangel viel später, dass uns etwas fehlt, als bei Wassermangel. In unserer überdrehten Welt, in der viele nicht wissen, wo ihnen der Kopf steht, nehmen viele Störungen zu. Süchte, Essstörungen, Schlafstörungen, Partnerschaftsstörungen – und (leider) auch Gottesverlust, doch schon das Wort setzt ja voraus, dass es mal anders war.
Was unser Predigttext sagt:
Wenn ihr also mit dem Mund bekennt: »Jesus ist der Herr«, und im Herzen glaubt, dass Gott ihn vom Tod auferweckt hat, werdet ihr gerettet. Wer mit dem Herzen glaubt, wird von Gott als gerecht anerkannt; und wer mit dem Mund bekennt, wird im letzten Gericht gerettet. So steht es ja in den Heiligen Schriften: »Wer ihm glaubt und auf ihn vertraut, wird nicht zugrunde gehen.« Das gilt ohne Unterschied für Juden und Nichtjuden. Sie alle haben ein und denselben Herrn: Jesus Christus.
das treibt zu Mission und Evangelisation. Die Basis (und viel wichtiger als die Frage, wie und was wir machen) ist und bleibt aber: Dass wir geistlich leben. – Die Menschen um uns können auch anstrengend und belastend sein. Da kann man schnell ausbrennen und frustriert werden, zumal dann, wenn wir unsere Wert als Christenmenschen mit unseren Erfolgen direkt verknüpfen. Große Gemeinde aufgebaut: Du bist wertvoll. Du bist ein Macher oder eine Macherin. – Gemeinde schwindet, wird klein und kleiner: Du hast es nicht geschafft.
Nein, der Wert, den wir haben, der liegt in der Würde, die wir von Gott verliehen bekommen haben. Die frühen Christen lebten uns vor, wie es geht, minderheitlich zu leben: In Hausgemeinden, in kleinen Gruppen, in Familien. Aber: Mit starker Bindung an Gott, von dem sie viel mehr erwarteten und erhofften als wir es oft tun. – Auch sind kleinere Gruppen und Gemeinden viel flexibler als große Tanker einer Megachurch mit Außengemeinden und mehreren Campusses.
Für mich ist das Ideal eine Größe, in der man noch alle kennen kann. Mit Namen und von Angesicht. – Wichtiger als die Größe ist auch der Tiefgang, die geistliche Größe: Was trauen wir den anderen zu? Glauben wir einander den Glauben, auch wenn der uns zu unterschiedlichen Einsichten führt? Freuen wir uns am anderen, auch wenn die oder der sich anderes wünscht als ich.
Im großen Abschnitt über die Geistesgaben in 1. Kor. 12–14 steht ja in der Mitte das 13. Kapitel
Wenn ich die Sprachen aller Menschen spreche und sogar die Sprache der Engel, aber ich habe keine Liebe – dann bin ich doch nur ein dröhnender Gong oder eine lärmende Trommel. Wenn ich prophetische Eingebungen habe und alle himmlischen Geheimnisse weiß und alle Erkenntnis besitze, wenn ich einen so starken Glauben habe, dass ich Berge versetzen kann, aber ich habe keine Liebe – dann bin ich nichts. Und wenn ich all meinen Besitz verteile und den Tod in den Flammen auf mich nehme, aber ich habe keine Liebe – dann nützt es mir nichts. Die Liebe ist geduldig und gütig. Die Liebe eifert nicht für den eigenen Standpunkt, sie prahlt nicht und spielt sich nicht auf. Die Liebe nimmt sich keine Freiheiten heraus, sie sucht nicht den eigenen Vorteil. Sie lässt sich nicht zum Zorn reizen und trägt das Böse nicht nach. Sie ist nicht schadenfroh, wenn anderen Unrecht geschieht, sondern freut sich mit, wenn jemand das Rechte tut. Die Liebe gibt nie jemand auf, in jeder Lage vertraut und hofft sie für andere; alles erträgt sie mit großer Geduld.
Minderheitlichkeit ist ja keine Minderwertigkeit. Seht euch Kinder an: Sie können anfangs ganz wenig und lernen rasant dazu. Sie fallen hin, und doch lernen sie zu laufen. – Und dieses Wunder, das wir alle sind, ein Mensch, das entsteht aus einer ganz kleinen Gemeinschaft: Zwei Menschen und Liebe.
Wenn wir das als Gemeinden leben: Kleine Gemeinschaft, in Liebe, mit großen Hoffnungen und Erwartungen, auch der Bereitschaft zu schlaflosen Nächten, etwa wenn die Kinder Zähne bekommen…: Dann erwarte ich eine gute Zukunft für unsere Gemeinden, ganz gleich, ob klein oder groß.
Amen.